Die SNS wird auch gern als Beckenbodenschrittmacher bezeichnet. Hinsichtlich des Wirkmechanismus benutzt man oft den Begriff sakrale Nervenmodulation. Der Beckenbodenschrittmacher nimmt Einfluss auf elektrophysiologische Vorgänge am Sakralplexus, welcher ein Nervengeflecht vor dem Kreuzbein ist. Von diesem Nervengeflecht ziehen Nerven zum Beckenboden. Es gibt aber auch nervale Verbindungen zum Gehirn. Vollständig ist der Wirkmechanismus nicht aufgeklärt. Durch die SNS wird eine Modulation der vorhandenen Nervenstrukturen angenommen.
Die Operation gilt als sehr komplikationsarmes Verfahren. In der Regel werden in Vollnarkose Elektroden durch das Kreuzbein an den Sakralplexus herangeführt und fixiert. Dann wird der Schrittmacher angeschlossen. Es gibt 2 Verfahren: das Einbringen des Schrittmachers erst nach erfolgreicher Testphase bzw. das sofortige Platzieren der Dauerelektroden mit Schrittmacher. Wir favorisieren die OP-Methode mit der Testphase. Hierbei wird zunächst ein Außenschrittmacher an die Elektroden angeschlossen. Somit hat der Patient die Möglichkeit festzustellen, ob ihm die SNS die Stuhlinkontinenz vermindert oder gar behebt. Der Nachteil ist, dass die Elektroden unter dem Kreuzbein nur locker verankert sind und dass eine 2. OP zum Einbringen des Schrittmachers, welcher dann in eine Gesäßtasche eingebracht wird, notwendig ist. Da die Wirkweise der SNS aber noch nicht vollständig bekannt ist und der Schrittmacher nicht bei jedem Patienten zum Erfolg führt, bevorzugen wir das zweizeitige Vorgehen.
Die sakrale Nervenstimulation hat wesentliche Vorteile. Sie gilt als sehr komplikationsarmes OP-Verfahren. Durch sie kann keine Verschlechterung der bereits geschwächten bzw. gestörten Schließmuskeln erfolgen. Die OP ist technisch einfach.
Aber nicht immer werden die Erwartungen an eine verbesserte Kontinenzleistung erfüllt. Oft wird zu schnell die Indikation zur SNS bei Stuhlinkontinenz gestellt. Vorher ist aber immer die Abklärung der gestörten Kontinenzfaktoren erforderlich. Ganz wichtig ist die Stuhloptimierung, weil die SNS bei zu weichen oder dünnen Stühlen nicht oder unzureichend funktioniert. Auch bei Windinkontinenz sollte eher über die Ursache vieler Winde als über die Therapie mit einem Beckenbodenschrittmacher nachgedacht werden. Ebenso kann Stuhlschmieren viele Gründe haben. Hier ist die sakrale Nervenstimulation primär fehl am Platz. Bei Querschnittslähmung ist die SNS überfordert.
Die verminderte Stuhlhaltefähigkeit bei kompakter Stuhlbeschaffenheit ist aus unserer Erfahrung die Hauptindikation zur SNS. Hier gibt es Erfolgsquoten von ca. 85%. Trotz unserer strengen Auswahl zu diesem OP-Verfahren weichen wir auch gelegentlich von der Hauptindikation ab. Wenn es eine gewisse Chance gibt, dem Patienten die Kontinenzleistung durch die SNS zu verbessern, dann sollte man die SNS-Testung durchführen. Dies ist die Meinung vieler Kollegen, welche mit dem Beckenbodenschrittmacher vertraut sind.
Es ist notwendig darauf hinzuweisen, dass ein Beckenbodenschrittmacher postoperativ betreut werden muss. Wie bei jedem Schrittmacher können technische Defekte auftreten, auch wenn nur nach mehreren Jahren die Batterieleistung Null ist. Sportliche Betätigung ist möglich, aber dabei sollte der Schrittmacher nicht gefährdet werden durch Sportarten mit gehäuften Stürzen. Bei Patienten mit Falithrom u. ä. wird von der SNS abgeraten. Desweiteren sollte zumindest ein geringes Grundverständnis für ein technisches Gerät vorhanden sein. Somit würden Patienten, z.B. mit Demenz, nicht damit zurecht kommen. Bei Tumorpatienten ist abzuwägen, ob im Rahmen der Tumornachsorge MRT-Untersuchungen noch erforderlich sein könnten. Ein MRT würde den Beckenbodenschrittmacher zerstören. Derzeit sind nach meinem Wissensstand nur MRT am Schädel unter gewissen Voraussetzungen damit möglich.
Nun, ich habe versucht, Ihnen etwas Wissen und unsere Erfahrungen über die sakrale Nervenstimulation zu vermitteln. Es war mir wichtig auch auf unerfüllte Erwartungen und Probleme zu verweisen. Langzeiterfahrungen zeigen, dass eine optimale Einstellung der Stuhlbeschaffenheit für den erwünschten Erfolg der SNS eine absolute Voraussetzung ist. Vielmals ist die medikamentöse Therapie der SNS überlegen. Ich bin dennoch der Überzeugung, dass die SNS die operative Therapie der Stuhlinkontinenz bereichert hat.