Der Beckenboden ist im Wesentlichen eine große Muskelplatte mit bindegewebigen Anteilen, welche unseren Bauchraum nach unten abschließt. In ihm sind die Verschlussmechanismen des Harn- und Darmtraktes verankert. Er spielt desweiteren eine große Rolle bei der menschlichen Fortpflanzung, insbes. bei der Geburt.
Durch unseren aufrechten Gang und durch die vaginale Entbindung ist unser Beckenboden einer erheblichen Belastung ausgesetzt. Viele komplexe Mechanismen sind zur Erfüllung all dieser Funktionen erforderlich; auch um sie uns ein Leben lang zu erhalten. Wir wissen aber, dass die Mehrzahl der Frauen ab ca. 45 Jahren, auch ein kleinerer Anteil Männer, mehr oder weniger ausgeprägte Beckenbodensenkungen aufweisen. Oft sind es eben nur Lockerungen, aber ein nicht geringer Anteil von Frauen klagt über Funktionsstörungen und Beschwerden. Es resultiert die Beckenbodeninsuffizienz.
Die Ursachen sind multifaktoriell. Die Schwangerschaft mit oder ohne vaginale Geburt wird heute als Hauptgrund der Beckenbodeninsuffizienz angesehen. Es kommt bereits bei der 1. Geburt zu Überdehnungen und Lockerungen im Bereich des Beckenbodens. Meistens erholt sich dies in den ersten 12 Wochen nach der Geburt wieder. Anderseits treten auch muskuläre Risse und Nervenschäden auf. Man geht von 5% Stuhlinkontinenz nach der 1. Geburt aus. Bei der Harninkontinenz ist diese Anteil noch viel höher. Diese Schädigung des Beckenbodens kann durch Übergewicht, Muskelschwäche mit zunehmendem Alter und fehlende sportliche Aktivität verstärkt werden. Begleitet dann die Stuhlverstopfung mit starkem Pressen diese Prozesse, wird der Weg zur Beckenbodeninsuffizienz weiter geebnet.
Die Beckenbodensenkungen sind bei jeder Frau sehr unterschiedlich ausgeprägt; auch hinsichtlich möglicher damit verbundener Beschwerden. Betroffen können die folgenden, sogenannten Kompartimente sein: vorderes Kompartiment = Blasen – Harnröhre, mittleres Kompartiment = Scheide – Gebärmutter und das hintere Kompartiment = Enddarm mit den analen Schließmuskeln. Für die hier auftretenden Senkungen gibt es verschiedene Fachbegriffe: Zystocele (Blasensenkung), Rektocele (Enddarmaussackung meist in Richtung Scheide), Enterocele (Darm drängt sich in die Wand zwischen Enddarm und Scheide), Uterusprolaps (Gebärmuttersenkung), Rektumprolaps (Enddarmvorfall) usw. Diese Veränderungen gibt es in verschiedenen Schweregraden.
Während diese Veränderungen völlig problemlos auftreten können, so sind auch Schmerzen mit zum Teil erheblichen Funktionsverlusten möglich; begleitet von einem hohen Leidensdruck. Entleerungsstörungen beim Wasserlassen und beim Stuhlgang oder auch Inkontinenzerscheinungen sind sehr häufig. Oft klagen Patientinnen auch über Schmerzen, Druckgefühle im Beckenboden; zeitweise sogar im Unterbauch. Durch Nervenreizungen entstehen u.a. Missempfindungen, wie Brennen am After und Damm. Oft stellen sich auch sexuelle Probleme ein.
Bei der Therapie ist es wichtig, diese Prozesse in ihrer Komplexität zu erfassen. Notwendig ist auch eine differentialdiagnostische Betrachtungsweise. So gibt es z.B. bei Verstopfungen viele Gründe, wobei nur u. a. die Ursachen im hinteren Kompartiment liegen können. Bei Stuhlinkontinenz und begleitenden Durchfällen ist es unbedingt zu empfehlen parallel den Durchfall zu behandeln. Somit reichen bei komplexen Mechanismen keine Einzeltherapien. Es sollte eine ganzheitliche Behandlung von Anfang an eingeleitet werden.
Vor jeder Therapie sollten gründliche Untersuchungen erfolgen, welche abklären, was überhaupt behandelt werden sollte. Hierzu ist die Zusammenarbeit verschiedener Fachrichtungen – entsprechend der 3 Kompartimente – wichtig. Als Proktologin kümmere ich mich zunächst um den Enddarm mit seinen Schließmuskeln, erfasse aber im Rahmen einer klinischen Beckenbodenuntersuchung auch die anderen Veränderungen. Sollte hier sich die Notwendigkeit der Abklärung und Behandlung ergeben, leite ich diese ein, wozu wir unseren Kompetenzverbund gegründet haben. Somit ist die unkomplizierte, fachlich erfahrene und koordinierte Mitbehandlung gewährleistet.
Die diagnostischen und therapeutischen Verfahren im Bereich des Beckenbodens möchte ich hier nicht detailliert erörtern. Dies ist sehr umfangreich. Hinsichtlich des hinteren Kompartiments finden Sie auch hier auf unserer Website zusätzliche Informationen. Ich möchte Ihnen aber dennoch – aus unserer Sicht – wichtige Informationen mit auf den Weg geben.
Bei den meisten Beckenbodensenkungsbeschwerden kann eine konservative Therapie völlig ausreichend sein. Wenn Senkungen keine Beschwerden machen, dann brauchen diese auch keine Operation. Trotz vielfältigster OP-Methoden ist und bleibt es ein Trugschluss zu glauben, eine komplexe Beckenbodeninsuffizienz beheben zu können. Zahlreiche Netzplastiken im Beckenboden klingen zwar logisch, aber ihre Rezidivquoten sind höher als zunächst erwartet. Auch die Komplikationen müssen bedacht werden. Anderseits ist es durch moderne OP-Verfahren gelungen, eine deutliche Linderung der Beschwerden zu ermöglichen, z.B. auch eine ausreichende Kontinenzleistung wieder zu erreichen. Im Einzelfall muss dies so exakt wie möglich abgewogen werden. Das Ziel sollte stets die Verbesserung der Gesamtsituation sein, möglichst ein hohes Maß an Zufriedenheit des Patienten. Manchmal ist es aber besser mit einigen Restbeschwerden weiter zu leben, als durch immer mehr Operationen im Beckenboden mit steigender Komplikationsquote auf einen 100 % rekonstruierten Beckenboden zu hoffen.
Aus proktologischer Sicht legen wir immer viel Wert auf Stuhloptimierung durch Ballaststoffe. Das viele Pressen bei der Entleerung sollte vermieden werden. Ganz wichtig ist auch ein trainierter Beckenboden. Nach Entbindungen muss die Rückbildungsgymnastik konsequent durchgeführt werden. Sportliche Aktivität tut uns immer gut. Bei bereits eingetretenen Beckenbodensenkungen oder gar -insuffizienzen kann eine gut geschulte Beckenbodengymnastik manches stabilisieren, auch lindern. Dies wird meist durch Gerätetraining (Biofeedback mit/ohne Reizstrom) unterstützt. Auch Änderungen in der Lebensführung, wie Toilettentraining, Änderungen der Essgewohnheiten usw. sind angeraten. Durch all das wird nichts wieder fest, aber es kann oft für unser gutes Zurechtkommen ausreichend sein.
Nun hoffe ich, dass ich Ihnen verständlich etwas Basiswissen zu diesem Thema vermittelt habe. Sollten Sie Fragen haben, ich berate Sie gern