Das Low Anterior Resection Syndrome ist eine komplexe Störung nach tiefer anteriorer Rektumresektion mit neoadjuvanter Radio-Chemotherapie beim Rektumkarzinom. Bis zu 50% dieser Patienten klagen über Diarrhoen, oft 15-20x pro Tag, mit meist vollständiger Inkontinenz. Die Folge sind ausgedehnte Analekzeme. Ohne geeignete Therapie folgen der langen Arbeitsunfähigkeit die frühzeitige Rente, soziale Isolierung und durch den erheblichen Leidensdruck psychische Erkrankungen.
Aus ärztlicher Sicht wird dann oftmals die erneute Anlage eine Stomas empfohlen. Der Patient möchte dies aber umgehen. Auch die Möglichkeit drohender operativer Komplikationen sowie parastomaler Hernien (35 - 50%) ermutigen niemanden dazu. Aus medizinökonomischer Sicht gilt die Stomaversorgung als teuer.
Es gibt aber auch einen anderen Weg ohne erneutes Stoma. Diese konservative Therapie muss dem komplexen Geschehen gerecht werden. Voraussetzung ist Wissen über Kontinenz und Erfahrung in der Inkontinenztherapie. Der Patient muss gewillt und fähig sein, einer schrittweisen Behandlung konsequent zu folgen.
Trotz stetig verbesserter Tumorchirurgie und Radiotherapie kommt es doch zur Schädigung und zum Verlust von Kontinenzfaktoren. Obwohl im Rahmen der Inkontinenz immer wieder die anale Sphincterfunktion hervorgeho-ben wird, so gibt es genügend Patienten mit klinisch gutem Sphincterdruck und LARS. Die Ursache ist, dass wir für unsere Stuhlkontinenz nicht nur intakte anatomische, motorische und sensible Strukturen benötigen, sondern auch eine geeignete Stuhlmasse.
Unsere Defäkation ist ein reflexgesteuerter Vorgang, der gewisse Zeit und einen geordneten Ablauf braucht, welcher bei der Diarrhoe physiologisch nicht funktionieren kann. Sicher ist dies mit fehlendem Rektum, also mit dem Wegfall des Reservoirs, noch schwieriger, aber es gibt auch LARS-ähnliche Probleme bei anderen Patienten mit Unterbauch-Operationen/Radiatio und noch vorhandenem Rektum.
Für das Therapiekonzept ist es wichtig, die multifaktoriellen Ursachen der Stuhlinkontinenz, der Diarrhoe und des Analekzems zu diagnostizieren und geeignet zu therapieren. Das Ziel ist dabei die Zufriedenheit, das gute Zurechtkommen mit dieser Erkrankung. Die therapeutische Herausforderung stellt die chronische Diarrhoe dar. Auch bei geschwächten analen Sphinctern kann nach Wiederherstellung eines geformten Stuhlgangs oft ausrei-chende Kontinenz erzielt werden.
Die Hauptursache der chronischen Diarrhoe ist die Bestrahlung durch Auslösung einer radiogenen Kolitis, oft auch chologenen Kolitis durch Schädigungen im terminalen Ileum. Die Radiatio schafft zusätzlich Fibrosen in den Sphinctern. Desweiteren leiden viele Patienten unter Reizdarm und Nahrungsunverträglichkeiten. Chronisch pathogene Darmkeime sollten abgeklärt werden. Oft bewirkt Metformin gehäufte, z.T. sehr weiche Stühle. Hier sollte ein Austausch erfolgen. Auch andere Organerkrankungen (Pankreas, Schilddrüse, etc.) haben Einfluss auf die Stuhlmasse. Eine Zöliakie sollte zumindest laborchemisch ausgeschlossen werden. Obwohl die Hauptur-sache die Radiatio bleibt, sollte nicht zu eng gedacht werden. Die Therapie der chronischen Diarrhoe ist eine Herausforderung und die Störfaktoren sollten, so gut es geht, behoben werden.
Zur medikamentösen Therapie sind Loperamid und Flohsamen, oft auch Colestyramin erforderlich. Hilfreich hat sich die zusätzliche Gabe von Amitriptylin erwiesen, wenn noch keine anderen Psychopharmaka verordnet wur-den. Die Medikamente werden auf ein festes Schema eingestellt und auf der Basis des Stuhltagebuches ange-passt.
Durch die Stuhloptimierung bessert sich das schwere Analekzem immer. Eine geeignete Analhygiene ist dazu notwendig. Analekzeme können mehrere Ursachen haben, dann ist zusätzlich medikamentös zu therapieren.
Erst nach Stuhloptimierung und abklingendem Analekzem sollten Beckenbodengymnastik und Sphinctertraining verordnet werden, denn mit 15-20x Stuhlgang pro Tag und schmerzhafter Analregion macht es keinen Sinn und wird berechtigt vom Patienten abgelehnt.
Im Einzelfall erweist sich die Therapie der Diarrhoe als sehr schwierig. Dann ist die Irrigation eine gute Methode, dem Patienten seine Lebensqualität wieder zu verbessern.
Bei anhaltender Urgesymptomatik (Halteschwäche) und geformten Stühlen könnte die SNS (sakrale Nervenstimulation) überdacht werden, wobei dann ein MRT nicht mehr möglich wäre. Das muss abgewogen werden. Die pTNS (periphere Tibialisstimulation) ist noch in der Erprobungsphase.
Die erneute Stomaanlage verbleibt als letzte Option.
Dr. Heike Schlick
Kompetenzverbund Beckenboden und spezielle Proktologie
Klinik Eilenburg * Praxis Dr. Schlick Schkeuditz
„Die Problematik der Stuhlinkontinenz“
Was ist Stuhlinkontinenz?
Dr. Schlick: Viele denken, dass Stuhlinkontinenz erst besteht, wenn man den Stuhl nicht mehr halten kann.
Stuhlinkontinenz hat aber verschiedene Erscheinungsformen. Schon die fehlende Kontrolle über Winde gehört dazu: auch Stuhlschmieren. Und gerade Frauen klagen oft darüber, dass sie bei Stuhldrang unverzüglich eine Toilette aufsuchen müssen. Prinzipiell versteht man unter Stuhlinkontinenz die Unfähigkeit, Winde, flüssigen und festen Stuhl kontrolliert ausscheiden zu können.
Wie wird man stuhlinkontinent?
Dr. Schlick: Es gibt viele Gründe. An erster Stelle sind Schließmuskelschädigungen z.B. durch Geburten, durch Fisteloperationen, durch Darmvorfälle, aber auch durch Alters- und Senkungsprozesse zu nennen. Weiterhin können zuführende Nerven durch Wirbelsäulenerkankungen, durch Diabetes usw. beeinträchtigt sein. Auch nach Enddarmentfernung bei Karzinomen gibt es vielfach Kontinenzprobleme. Anhaltende Durchfälle z.B. bei Nahrungsunverträglichkeiten können auch zur Inkontinenz führen. Es können einzelne, aber auch mehrere Kontinenzfaktoren gestört sein.
Was sind Kontinenzfaktoren?
Dr. Hanke: Zunächst die Schließmuskeln, der innere und äußere. Beide müssen aufeinander abgestimmt funktionieren und sind eingebettet in die Beckenbodenmuskulatur. Wir brauchen auch den Enddarm als Auffangstation. Hier beginnen wichtige Reflexketten für die Stuhlentleerung. Die dortigen Nerven müssen genau so intakt sein wie die Analkanalhaut. Auch wenn Hämorrhoidenpolster nur einen kleinen Betrag leisten, so sind sie doch wichtig für die Feinkontinenz.
Was sollte man nun tun?
Dr. Schlick: Zunächst muss man den Mut haben seine eigene Schamschwelle zu überwinden. Dann sollte man einen Proktologen aufsuchen. In der Regel sind dies Chirurgen oder Gastroenterologen mit der entsprechenden Zusatzbezeichnung. Diese speziellen Fachärzte sind durch den Hausarzt oder übers Internet zu erfragen. Auch bei Selbsthilfegruppen findet man Rat.
Was passiert beim Proktologen?
Dr. Schlick: Die entscheidende Frage für uns ist, warum der Patient stuhlinkontinent ist. Wie gesagt, es gibt oft mehrere Gründe. Inkontinenz kann auch mit anderen Beckenbodenerkrankungen kombiniert sein. Somit sind es dann sehr komplexe Veränderungen. Nach einer umfangreichen Befragung beginnen wir immer mit einer klinischen Untersuchung des Beckenbodens einschließlich des Enddarmes. So führen wir stets eine funktionelle Enddarmspiegelung durch, insbesondere um Darmvorfälle zu erkennen. Zum Basisprogramm gehört auch eine Coloskopie, denn z.B. Darmkrebs mit oder ohne Blutung kann mit einer Inkontinenz einhergehen. Bei einer Schließmuskelschädigung brauchen wir Ultraschalluntersuchungen und Druckmessungen.
Oft sind auch Computeruntersuchungen (Defäkographien/MR-Defäkographien) nötig. Bei komplexen Erkrankungen veranlassen wir eine urologische Vorstellung. Viele Patienten haben Angst vor solchen Untersuchungen, aber sie sind nicht schmerzhaft. Es ist ihnen verständlicherweise aber immer sehr peinlich.
Das klingt nach viel Diagnostik?
Dr. Schlick: Ja. Wir möchten vor Therapiebeginn, insbesondere aber vor einer OP, genau wissen, welche Schädigung, welcher Senkungsprozess usw. im Beckenboden vorliegt. Die Therapie legen wir danach individuell fest.
Muss denn immer operiert werden?
Dr. Hanke: Oh, nein. Die Haupttherapie ist konservativ. Zunächst beginnen wir neben der Diagnostik gleich mit dem Beckenbodentraining und der Stuhloptimierung. Oft muss das Analekzem (Wundsein der Afterhaut) behandelt werden. Ganz entscheidend ist aber, dem Patient psychisch zu helfen. Man muss ihm wieder Mut und Optimismus mitgeben.
Wie meinen Sie das?
Dr. Schlick: Stuhlinkontinenz ist ein tragisches Ereignis. Die Patienten schämen sich. Sie ziehen sich zurück. Ihre Lebensplanung verändert sich. Um ihr Haus zu verlassen, müssen unterwegs Toiletten vorhanden sein. Viele werden arbeitsunfähig. Die Partnerbeziehungen leiden. Sie verlieren ihr Selbstwertgefühl. So können sich psychische Erkrankungen aufbauen. Dies alles lastet auf Ihnen. Man muss als Arzt Schritt für Schritt versuchen, die Gesamtsituation zu verbessern, denn nicht immer kann die Inkontinenz vollständig therapiert werden.
Was kann man operieren?
Dr. Hanke: Dies richtet sich nach der Ursache der Stuhlkontinenz. Auch wenn es heute schon viele moderne OP-Methoden gibt, so wägen wir das OP-Risiko individuell ab und besprechen mit dem Patienten die möglichen Komplikationen. Es ist wichtig, dass er versteht, dass wir bei einer komplexen Schädigung ggf. auch nur einen Teil korrigieren können. Wir operieren aber immer erst, nachdem die konservative Therapie ausgeschöpft ist bzw. wenn wir durch Training den Beckenboden und die Schließmuskeln auf die OP vorbereitet haben. Bei Schließmuskeldefekten ist für die OP der Größendefekt entscheidend. Manchmal kann der Defekt vernäht werden. Auch kommen Beckenbodenschrittmacher in Betracht; ggf. kann man einen künstlichen Schließmuskel oder eine spezielle Muskeloperation überdenken. Bei Darmvorfällen, welche die Schließmuskeln überdehnen, sollte der Darm gekürzt und/oder wieder angeheftet werden. Dafür gibt es verschiedene OP-Methoden. Für jeden Patienten muss dies einzeln abgestimmt werden.
Was ist ein Beckenbodenschrittmacher?
Dr. Hanke: Hierbei werden Elektroden an das Nervengeflecht für die Kontinenzsteuerung vor dem Kreuzbein platziert. Dadurch erfolgt eine Art Neuprogrammierung dieser Nervenbahnen. Meist ist eine Testphase erforderlich und sinnvoll, in welcher der Patient den Schrittmacher wie ein Langzeit-EKG-Gerät bei sich trägt. Dazu legen wir die Elektroden in Narkose an den Nerven an. So sehen wir schon hierbei, ob eine Schließmuskelreaktion erfolgt. In der Testphase kann der Patient dann selbst erfahren, ob ihm der Schrittmacher hilft. Ist der Patient zufrieden, kann später der Schrittmacher wie ein Herzschrittmacher unter der Haut, aber hier im Gesäßbereich, fixiert werden. Diese Methode heißt sakrale Nervenstimulation (SNS). Sie gilt als komplikationsarm. Auch wenn sie derzeit sehr populär zu werden scheint, so ist sie nicht bei allen Inkontinenzformen einsetzbar. Zu beachten ist zusätzlich, dass nicht immer der Schrittmacher erwartungsgemäß funktioniert. Oft muss er auch nachprogrammiert werden.
Werden die o.g. Operationen, einschließlich der SNS, bei Ihnen in der Klinik ausgeführt?
Dr. Hanke: Ja. Über unseren Kompetenzverbund Beckenboden und spezielle Proktologie bieten wir unseren Patienten somit die erforderliche Diagnostik und konservative, ggf. auch operative Therapie an. Selbstverständlich betreuen wir unsere Patienten auch selbst nach, sofern sie es nicht anders wünschen.
Kompetenzverbund Beckenboden und spezielle Protkologie
ChA Dr. S. Hanke, Chirurg
Dr. H. Schlick, Chirurgin
OÄ DM C. Fichtner, Gynäkologin
OA Dr. A. Tamke, Gastroenterologe
ChA Dr. S. Pecher, Radiologe
Kontakt:
Kreiskrankenhaus Delitzsch GmbH, Klinik Eilenburg
Wilhelm-Grune-Str. 5-8
04838 Eilenburg
Sekretariat Chir. Klinik Eilenburg
Tel. (03423) 667-201
Fax (03423) 667-209
www.klinik-eilenburg.de
Chir. Gemeinschaftspraxis Schlick
Turnerstr. 40
04435 Schkeuditz
Tel. (034204) 60345
www.proktologie-schlick-schkeuditz.de
Das verschwiegene Leiden
Hämorrhoiden nicht aussitzen
Niemand mag darüber sprechen, aber jeder Zweite kennt das unangenehme Jucken.
Zum Glück lässt sich das Problem gut therapieren.
Dieses Tabu hat bislang noch keiner geknackt. Wer auf dem Örtchen ein Brennen und Zwicken im Po verspürt, schweigt diskret. Selbst wenn die Hämorrhoiden helles Blut auf dem Toilettenpapier hinterlassen, wird das peinvoll ertragen. „Es ist erstaunlich, wie lange manche Patienten leiden, bevor sie zum Arzt gehen.“, sagt Enddarmspezialistin Dr. Heike Schlick aus Schkeuditz bei Leipzig.
Gefahr durch Druck
Dabei mangelt es den Betroffenen nicht an Hygiene, wie viele glauben. Drängen die zarten Schwellkörper am After ans Tageslicht, liegt das meist an einem erhöhten Druck im Enddarm.
Aus diesem Grund leiden Frauen häufig in der Schwangerschaft an Hämorrhoiden. Auslöser ist die wachsende Gebärmutter. „Sehr oft fördern auch chronische Verstopfungen die Ausstülpungen“, sagt Proktologin Schlick. Durch Pressen steigt der Druck auf die Blutpolster. Die Folge: Sie wachsen, lockern sich und treten beim Stuhlgang nach außen. Handelt es sich um Hämorrhoiden ersten oder zweiten Grades, können sie von alleine wieder verschwinden. Lassen sie sich nur noch mit dem Finger zurückbefördern, spricht der Arzt von Hämorrhoiden dritten Grades. Im vierten Grad liegen die Schwellkörper dauerhaft im Freien. Das muss nicht immer Beschwerden hervorrufen. Erst wenn Symptome wie Juckreiz, Nässen, Blutungen oder ein irritierendes Druckgefühl am Po auftreten, spricht der Arzt von einem Hämorrhoiden-Leiden. Heike Schlick: „So weit muss es nicht kommen. Wer vorbeugt, kann sich das Leiden ersparen oder das Fortschreiten der Erkrankung verhindern“.
Die wichtigste Prophylaxe besteht darin, „Härtefälle“ auf der Toilette zu vermeiden: Ein weicher Stuhlgang erspart das schädliche Pressen. „Dabei helfen Ballaststoffe, etwa aus Vollkornprodukten, Gemüse und Obst oder auch in Form von Weizenkleie und Flohsamen“, sagt Heike Schlick. „Diese Pflanzenbestandteile bringen den Darm auf Trab, weil sie vom Körper größtenteils nicht verdaut werden.“ Zudem vergrößern Quellstoffe in Verbindung mit Flüssigkeit die Stuhlmenge, das kurbelt die Darmtätigkeit an. Ausreichend trinken – mindestens 1,5 Liter Flüssigkeit täglich – und Bewegung helfen zudem, Verstopfungen vorzubeugen.
Darmkrebs ausschließen
Kommt es trotzdem zu Problemen, hilft ein Proktologe. Er erkennt, ob tatsächlich Hämorrhoiden verantwortlich sind. „Oft stecken ganz andere After- oder Beckenbodenerkrankungen hinter den Beschwerden, etwa eine Analvenenthrombose. Bei starken Schmerzen kann auch eine Fissur die Ursache sein“, so Heike Schlick. Gerade bei Blutungen sollte man rasch einen Arzt aufsuchen, um Darmkrebs auszuschließen. Zumeist genügen Blickdiagnose. Austasten des Analkanals und eine Enddarmspiegelung, um die Ursache zu finden.
Verursachen Hämorrhoiden keine Beschwerden, brauchen Sie keine Therapie. Kurzzeitig lassen sich Juckreiz und Brennen mit Cremes, Pasten oder Zäpfchen selbst behandeln. Inhaltsstoffe wie Benzocain oder Lidocain wirken leicht betäubend, Sitzbäder mit Zusätzen von Kamille beruhigen. Salben mit Hamamelis-Gerbstoffen haben einen abschwellenden Effekt.
Effektive Operationen
Bessern sich die Beschwerden nicht, muss der Arzt ran. Je nachdem, wie weit das Leiden fortgeschritten ist, wählt der Proktologe seine Technik. Er kann Gewebeknoten veröden oder mit einem Gummiband abklemmen.
Der lokale Blutfluss erlahmt, wenige Tage später stirbt der Gewebeteil ab und wird mit dem Stuhlgang ausgeschieden. Eine dritte Möglichkeit ist die Hämorrhoidenoperation. Chirurgin Schlick: „Es gibt auch Methoden, bei denen die Hämorrhoiden erhalten bleiben. Dabei „liftet“ man die vorfallenden Hämorrhoiden und versetzt das verrutschte Gewebe an seine Ursprungsstelle zurück.“
Der erste Schritt ist jedoch immer derselbe: Der Patient muss seine falsche Scham überwinden. Gerade bei Po-Problemen funktioniert Aussitzen am wenigsten.
Bernhard Hobelsberger
Stuhlinkontinenz: Ein wichtiger Erfolgsfaktor ist die Stuhlbeschaffenheit"
Die Notwendigkeit der Stuhleinstellung wird in der Literatur oft zitiert.
Dennoch stellen sich im proktologischen Praxisalltag noch immer viele Patienten gerade mit diesem Problem vor. Viele stuhlinkontinente Patienten lassen sich durch gezielte Therapie zu weicher oder dünner Stühle gut behandeln.
Kontinenz ist das Ergebnis eines komplizierten Zusammenspiels anatomischer, motorischer und sensorischer Komponenten. Sie setzt intakte, funktionstüchtige Kontinenzfaktoren voraus. Aus deren Kenntnis und dem möglichen Schädigungsmuster lassen sich oft die Ursachen der Stuhlinkontinenz ableiten.
Während Pathologien der Analsphinkter sicher am bekanntesten sind, gibt es auch stuhlinkontinente Patienten mit ausreichender Sphinkterfunktion. Ihre Kontinenzleistung kann durch zu weiche oder dünne Stühle erheblich herabgesetzt werden.
In der Kombination mit Sphinkterschwächung bzw. -schädigung nimmt die Problematik ihren Lauf.
Kleine Stuhlvolumina stören die Rektumcompliance
Unsere Defäkation ist ein reflexgesteuerter Vorgang. Im Rektum sind dazu eine ausreichende Stuhlmenge und ein
entsprechender Druckaufbau erforderlich.
Die Anpassung der Darmwand an das Stuhlvolumen, die sogenannte Rektumcompliance, kann nicht nur durch Erkrankungen
der Darmwand, sondern auch durch zu kleine Stuhlvolumina gestört werden und dann den zu frühen Defäkationsreiz
auslösen [1]. Somit bekommt die Stuhlbeschaffenheit eine zentrale Bedeutung bei der Stuhlentleerung.
Chronische Diarrhoe durch Lebensmittelintoleranzen
Die Ursachen zu weicher oder dünner Stühle, welche permanent oder nur zeitweise auftreten, sind vielfältig. Im Rahmen
der konservativen Therapie der Stuhlinkontinenz, aber auch der Ergebnisoptimierung operativer Methoden, ist die Diarrhoeabklärung
und Behandlung ein wichtiger Bestandteil eines komplexen Therapieprogramms [5].
Im Praxisalltag ist ein zunehmender Prozentsatz an Nahrungsmittelintoleranzen auffällig. Es treten nicht nur wie angenommen Laktose- oder Fruktoseintoleranzen [2] auf, sondern auch verstärkt Unverträglichkeiten sorbithaltiger Nahrung. Selbstverständlich sind entzündliche Darmerkrankungen auszuschließen. Ein Basisprogramm der Blut- und Stuhldiagnostik ist essenziell. Im Einzelfall sind erweiterte Untersuchungen notwendig. Nach dieser Diagnostik reduziert sich die oft zu früh vermutete Reizdarmproblematik deutlich.
Stuhloptimierung: Auch feste Stühle bereiten Probleme
Während fester Stuhl besser gehalten werden kann, klagt ein Teil der Patienten dann über begleitende Obstipationsphasen.
Gerade im Rahmen von Beckenbodenschwächen und -insuffizienzen mit mehr oder weniger ausgeprägten Rektumprolapsformen und Rektozelen verlagern zu feste Stühle das Problem [6]. Zur Stuhloptimierung bei Inkontinenz hat sich die Kombination
von Ballaststoffen/Quellmitteln (z. B. Flohsamen) mit Loperamid bewährt [4]. Auch die preisgünstigere Weizenkleie kann zunächst als
Ballaststoff empfohlen werden. Bei Nahrungsmittelintoleranzen ist ein entsprechender Nahrungsmittelverzicht oder -ersatz
anzuraten. Im Einzelfall wird auch eine detaillierte Therapie der chronischen Diarrhoe für den Patienten notwendig.
Komplexität erfordert eine individuelle Therapie
Aufgrund der multifaktoriellen Ursachen der Schädigung der Kontinenzfaktoren, der Komplexität des Beckenbodens und der
multiplen Beeinflussung unserer Stuhlbeschaffenheit sind komplexe Betrachtungsweisen, eine an die individuellen Gegebenheiten
angepasste Differentialdiagnostik und eine individuelle Therapie erforderlich.
Patienten mit komplexen Schädigungsmustern, wie etwa nach einer anterioren Resektion mit Radiatio wegen eines Rektumkarzinoms,
mit medikamentös eingestelltem Diabetes mellitus (Metformin) und Patienten mit Nahrungsmittelintoleranzen leiden nicht selten unter mehr als 15 dünnen Stühlen pro Tag. Sie haben oft intakte Sphinkter und sind dennoch zu 100 Prozent inkontinent.
Bei dieser Patientengruppe kann meist durch Umsetzen des Metformins und durch die Mitbehandlung der oft auftretenden
chologenen Diarrhoe (als Folge des Strahlenschadens im terminalen Ileum) eine deutliche Besserung erzielt werden. Unter Beachtung
der Intoleranzen und der Einnahme von Ballaststoffen und Loperamid kann der Leidensdruck erheblich gesenkt werden.
Selbst bei Sphinkterschwächen oder -schäden kann im Rahmen eines konservativen komplexen Behandlungsprogramms
oft durch Stuhloptimierung eine ausreichende Kontinenz erzielt werden.
Fazit: Stuhlbeschaffenheit beeinflusst Stuhlkontinenz
Die Notwendigkeit der Stuhleinstellung wurde und wird in der Literatur oft zitiert, aber im proktologischen Praxisalltag stellen sich noch immer viele Patienten gerade mit dieser Problematik vor. Dabei hat die Stuhlbeschaffenheit wesentlichen Einfluss auf die Stuhlkontinenz. Viele stuhlinkontinente Patienten lassen sich durch eine gezielte Therapie zu weicher oder dünner Stühle gut behandeln
Auch im Rahmen geplanter operativer Maßnahmen (etwa der Sakralnervenstimulation oder der Prolapschirurgie) ist die
Stuhloptimierung eine wichtige Voraussetzung für den Operationserfolg [3]. Desweiteren lassen sich auch andere proktologische Erkrankungen oder Symptome wie beispielsweise Analekzeme oder Stuhlschmieren dadurch wesentlich mininieren.
Literatur
1. Mölle B.: Funktionelle Untersuchungsmethoden
bei Inkontinenz und Obstipation. In:
Chirurgische Proktologie, 2. Auflage. Heidelberg:
Springer Medizin Verlag, 2012
2. Probst M. et al.: Stuhlinkontinenz. In:
Dtsch Arztebl Int 2010; 107(34-35):596-601
3. Farke S.: Prädiktive Faktoren für eine erfolgreiche
Sakralnervenstimation in der Behandlung
der Stuhlinkontinenz. In: Coloproctology
2012; 34: 300-302
4. Krammer H.: Anale Inkontinenz. Möglichkeiten
der Stuhlregulation. In: Coloproctology
2010; 32: 195-198
5. Feisthammel J. et al.: Stuhlinkontinenz. In:
Ärzteblatt Sachsen 2012; 6: 245-248
6. Schiedeck T.: Rektozele oder Stuhlqualität.
In: Coloproctology 2010; 32: 134-135
Im Laufe der letzten 10 Jahre habe ich eine Vielzahl von Vorträge zu proktologischen Themen vor/bei
- Ärztestammtischen verschiedener Fachrichtungen
- Symposien und anderen Arztfortbildungen
- Selbsthilfegruppen
- Kliniktagen
- Apotheken
gehalten.